Kanakerbraut
BRD 1984
Regie: Uwe Schrader
Peter Franke, Brigitte Janner, Gerhard Olschewski, Nikolaus Dutsch, Grete Jochmann, Steffi Lang, Alfred Raschke
*** Der Link ist nur für Mitglieder sichtbar, zum Login. ***Seitdem seine Frau ihn verlassen hat reist Paul langsam aber unaufhörlich gen Abgrund. Er lebt in einem Loch von Wohnung, trinkt literweise Bier, hält sich mit Gelegenheitsjobs gerade noch über Wasser, und lässt sich eigentlich nur von Kneipe zu Kneipe treiben. Er trifft Lisa die Kanakerbraut, die so genannt wird weil sie sich mal mit einem Türken eingelassen hat. Aber Paul kommt über den Verlust seiner Frau (und damit auch seiner früheren Existenz) nicht hinweg, während Lisa aus Trauer über die Abwesenheit ihres Mannes (er ist auf Montage im Sudan) das Vergnügen sucht und ständig die Affären wechselt. Jeder hat halt so seine Art, die Abwesenheit des Geliebten und die daraus resultierenden Enttäuschungen zu kompensieren …
Mit Paul und Lisa ziehen wir durch die Nacht, und das so intensiv, dass der Bildschirm nach Zigarettenrauch riecht und sich im Mund der Geschmack von fadem Bier breitmacht. Die Kneipen sind trist, die Wohnungen noch viel mehr, und am Tristesten ist das Leben. Wo 4 Jahre später in MAU MAU dann durchaus eine gewisse Energie und gelegentliche Heiterkeit anzutreffen sind (dort möchte ja wenigstens Rosa das Leben genießen), ist KANAKERBRAUT direkt vom Leben abgeschaut und ausgesprochen depressiv. Hier gibt es keinen Frohsinn, und wenn man sich in Lisas Wohnung zu dritt vergnügen will wird schnell festgestellt, dass da einer zuviel ist: Paul wird rausgeworfen. Jeder sucht halt sein kleines Stückchen Wärme: Der eine zwischen den Beinen Lisas, und der andere in einer Flasche Bier.
Der Film sprengt die Grenzen des Spielfilms und schafft das Kunststück, dass wir Schauspielern zuschauen, die Leben spielen. Dass wir Laiendarstellen zuschauen die ihr Leben vor der Kamera leben. Dass die Grenzen zwischen Spiel und Leben verwischen, durchlässig werden, und der ungeschönte Blick in die Kneipen der Arbeiter- und Arbeitslosenviertel nichts mehr mit einem auch nur irgendwie gearteten „Spielfilm“ zu tun hat. Stattdessen könnten diese knapp 60 Minuten auch eine Reportage eines investigativen Journalisten sein, und keiner würde den Unterschied merken. Doch: Es gibt keinen Mitleid heuchelnden Off-Sprecher. Der Blick ist ungeschminkt und ehrlich, was die klassische Klientel so eines Films, bürgerliche Filmfans und Soziologiestudenten, gleichzeitig faszinieren und abstoßen dürfte. Man kennt das, wenn man den Kopf so gar nicht abwenden kann, und da mache ich beileibe keine Ausnahme …
Es gibt diese Szene, wenn Paul, Lisa und der dicke Mann die Kneipe verlassen, und die Kamera an den Gesichtern der Gestrauchelten entlangfährt. Gesichter, die jeder Stadtbewohner kennt, und aus einer Mischung aus Neugier und Abscheu betrachtet. Diejenigen, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben. Keine „Schauspieler“ in einem „Film“, sondern bittere und erschreckende Wahrheiten. Gesichter von echten Menschen, die einmal Kinder waren, die groß geworden sind, und die nach und nach ihre Träume begraben mussten. Und den einzigen Trost beim Wirt um die Ecke fanden.
Faszinierende und gleichzeitig deprimierende Kunst, die ein erschreckend realistisches Bild der Wirklichkeit zeichnet. Und diesen Satz meine ich genauso so wie ich ihn schreibe …
7/10Es gibt auch eine ganz hervorragende
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