
Kitosch arbeitet auf der Ranch von Don Jaime als Kuhhirte. Allerdings entwickelt er sich immer mehr zum Prügelknaben weil er eine große Schwäche hat: Frauen. Aus diesem Grund macht er sich regelmäßig an die Weiber der anderen rann was ihm natürlich laufend Ärger einbringt. Nachdem ihn Don Jaime aber mehrmals heftig dafür bestraft ergreift er die Flucht. Dabei trifft er auf einen gewissen Tracy, mit dem er schnell Freundschaft schließt. Gemeinsam ziehen die beiden nun Richtung Mexiko und haben dabei eine Horde Kopfgeldjäger und Don Jaime am Hintern kleben.
"Una potente storia di una forza mai vista carica di furia, sexy e ferocia. Un film irruente! Bruciante! Violento! Selvaggio!" (1)
Nando Cicero wurde als Regisseur vor allem aufgrund seiner zahlreichen Komödien in den 70’er Jahren bekannt, die der sogenannten
Commedia erotica all'italiana zu zuordnen sind. Dabei fungierte die bezaubernde Edwige Fenech recht häufig als Hauptdarstellerin, dazu zählen Werke mit so aussagekräftigen deutschen Titeln wie
Die Bumsköpfe (L’insegnante) oder
Die Knallköpfe der 6. Kompanie (La Dottoressa del distretto militare). Bevor Cicero 1962 mit
Lo scippo (zu deutsch etwa Handtaschenraub) sein Regiedebüt feierte war er vorwiegend als Schauspieler und als Assistent bei namhaften Regisseuren tätig. So assistierte er beispielsweise Francesco Rosi bei seinen Meisterwerken
Salvatore Giuliano und
Le mani sulla città (Hände über der Stadt) und unterstütze Luchino Visconti bei den Dreharbeiten zu
Le notti bianche (Weiße Nächte). Bevor Nando Cicero sich in den 70’ern den Komödien zuwandte inszenierte er auch drei solide Western, von denen beim Zuschauer aber leider keiner wirkliche Begeisterungsstürme auszulösen vermag. Auf den 1967 entstanden
Il tempo degli avvoltoi (Die Zeit der Geier) folgten noch
Professionisti per un massacro (Stoßgebet für drei Kanonen) und
Due volte Guida (Kugeln tragen keine Unterschrift/2x Judas). Auffallend bei all seinen drei Western ist die hervorragende Besetzung, die ihm jeweils zur Verfügung stand. So arbeitete er unter anderem mit Frank Wolff, George Hilton, Klaus Kinski, Edd Byrnes, José Bodalo, Femi Benussi, Antonio Sabato, Edoardo Fajardo und einigen mehr. Vielleicht half ihm dabei ja sein Ruf als bekannter Regieassistent, diese, für das Genre, großen Namen zu verpflichten oder er hatte einfach einen guten Produzenten

.

Il tempo degli avvoltoi war Nando Ciceros Westerndebüt, welches er 1967, also in der Blütezeit des Genres, inszenierte. Der Film dreht sich um Kitosch, der sich auf der Flucht vor seinem Patron Don Jaime befindet. Der verfolgt den armen Kitosch, weil der die Finger nicht von seiner Frau lassen kann. Auf der Flucht trifft er den gefürchteten Killer Tracy, der sich auf einem eiskalten Rachefeldzug befindet. Die beiden freunden sich an und begeben sich auf den Weg nach Mexiko. Ihnen dicht auf den Fersen sind allerdings eine Horde Kopfgeldjäger und Don Jaime mit seinen Männern. Den Protagonisten Kitosch verkörpert der Uruguayer George Hilton in einem seiner ersten Auftritte im Genre des Italowestern. Zuvor war er bereits in Lucio Fulcis ausgezeichnetem
Le colt cantarono la morte e fu... tempo di massacro (Django – sein Gesangbuch war der Colt), als alkoholkranker Bruder von Franco Nero, zu sehen sowie in der Franco und Cicco-Parodie
I due figli di Ringo, der vom Duo Giorgio Simonelli und Giuliano Carnimeo in Szene gesetzt wurde. Hilton verkörperte die Figur des Kitosch bereits in dem im selben Jahr entstandenen, von José Luis Merino inszenierten
Kitosch, l'uomo che veniva dal nord (Der Mann, der aus dem Norden kam). Inwieweit
Il tempo degli avvoltoi eine Fortsetzung des Merino-Films ist kann ich nicht beurteilen, da ich den Streifen nicht gesehen habe. Allerdings haben beide Western mit Fulvio Gicca Palli denselben Drehbuchautor vorzuweisen.
Kitosch arbeitet auf der Ranch von Don Jaime und kümmert sich dort um die Kühe, macht aber immer wieder jede Menge Schwierigkeiten. Er ist nämlich ein ziemlicher Lüstling, der alles angräbt was einer Frau nahe kommt. Dabei macht er auch vor Don Jaimes Frau Steffi nicht halt. Dabei gibt’s gleich zu Beginn eine sehr schöne Badeszene, in der Kitosch die Seife in Steffies Schaumbad sucht. Anstatt ihn aus dem Haus zu jagen quält Don Jaime Kitosch aber bis zum äußersten. Er lässt ihn verprügeln, auspeitschen und sogar Brandmarken (
"Der junge Stier hat sein Brandzeichen. So wird er sich den Namen seines Besitzers genau merken"). Irgendwann hat Kitosch verständlicherweise die Nase voll und verduftet. Auf der Flucht lernt er den Killer Tracy kennen, der von allen gefürchtet wird und auf den ein enorm hohes Kopfgeld ausgesetzt ist. Dargestellt wird Tracy vom großartigen Amerikaner Frank Wolff, der mit Cicero bereits in
Salvatore Giuliano zusammenarbeitete, in dem Wolff den Freund und Komplizen von Giuliano, Gaspare Pisciotta, verkörperte. Wolf sieht hier klasse aus in seinem schwarzen Outfit und hat auch gleich einen tollen ersten Auftritt spendiert bekommen. Dabei fährt er mit seiner Kutsche, beladen mit einem Sarg, vor den Saloon eines kleinen Städtchens. Während Tracy kurz im Saloon abhängt besprechen der Sheriff und seine Männer wer welchen Anteil vom Kopfgeld abbekommt, welches sie für die Ergreifung von Tracy einkassieren zu gedenken. Als er wieder heraus kommt wird er vom Sheriff und seinen Gehilfen festgenommen und ins Sheriffbüro, in dem bereits Kitosch einsitzt, gebracht. Dort knallt Tracy, der noch einen Trick in der Hinterhand hat, den Sheriff und seine beiden Hilfssheriffs über den Haufen ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Kitosch rettet ihm dabei das Leben, als ihn jemand von hinten erschießen möchte, und daraufhin nimmt Tracy Kitosch mit auf seinem Weg. Wie Christian Kessler allerdings richtig anmerkt wird die Motivation, weswegen Kitosch Tracy folgt nicht klar. (2) Ist er beeindruckt von dessen Schießkünsten und erhofft sich Schutz, sieht er ihn als Vaterersatz…, quién sabe?

Frank Wolff hat als Tracy hier mit Abstand die beste und interessanteste Rolle innerhalb der Welt von
Il tempo degli avvoltoi. Tracy ist ein brutaler, verbitterter von epileptischen Anfällen heimgesuchter Killer, der sich auf einem unerbittlichen Rachefeldzug befindet. Tracy geht hier wirklich mit äußerster Brutalität zu Werke, unter anderem nagelt er jemanden an eine Tür, nur um denjenigen Leiden zu sehen, eine blinde Frau verbrennt er bei lebendigen Leib in ihrem eigenen Haus, Femi Benussi drückt er mit dem Gesicht in einen heißen Teller Bohnen usw. Den Großgrundbesitzer Don Jaime mimt der Spanier Eduardo Fajardo, der Jagd auf den unverbesserlichen Schürzenjäger Kitosch macht. Der Part des Don Jaime ist zu Beginn eine Stärke des Films entwickelt sich gegen Ende aber zu einem großen, und sogar ärgerlichen, Schwachpunkt. Don Jaime ist ein herrischer und brutaler Patriarch, der, wenn ihm einmal etwas gehört, es nicht wieder aus der Hand gibt. Außer man bezahlt ihm einen schönen Batzen Geld dafür, wie man ja gerade auch in Quentin Tarantinos
Django Unchained sehen kann. Da müssten Schultz und Django auch mächtig löhnen wenn sie Djangos Braut Brunhilde von deren Besitzer Candie freikaufen wollen würden. Das gilt auch für Kitosch, den er sogar sein Brandzeichen einbrennen lässt damit er weiß wo er hingehört, und dass obwohl er mit seiner Frau rummacht. Nicht dass Fajardos Don Jaime ein waschechter Bösewicht wäre, aber eine positiv konnotierte Figur sieht doch ein wenig anders aus.
Spoiler:
Die Frau von Don Jaime wird dargestellt von Pamela Tudor, die am Anfang gleich mal ein schönes Schaumbad nehmen darf, zur Freude von Kitosch und der des Zuschauers. Am Ende der Geschichte fällt ihr noch eine recht bedeutende Rolle zu, sonst agiert sie, wie die anderen weiblichen Figuren, leider sehr im Hintergrund. Den Sheriff, den Tracy gleich zu Beginn wegpustet, spielt der Ungar John Bartha, der hier wieder einmal einen seiner meist sehr kurzen Auftritte im Genre hat. Franco Balducci und Guglielmo Spoletini spielen zwei Gauner mit denen Tracy eine Rechnung zu begleichen hat. Vor allem Balducci muss kräftig leiden, versucht Tracy ihn doch sogar an eine Tür zu nageln. Filmhistoriker Melelli erzählt im Interview der Koch-DVD eine interessante Geschichte über Balducci. Der hätte angeblich die Möglichkeit gehabt nach Amerika zu gehen und dort vielleicht Karriere zu machen. Allerdings war Balducci eingetragenes Mitglied der Kommunistischen Partei und hatte dadurch keine Chance ein Visum zu bekommen. Femi Benussi ist noch als verführerisches Saloonmädchen zu bewundern, die als erstes Kitosch gleich mal ihren Finger in den Mund steckt. Und bei den zwei Argumenten, die Benussi zu bieten hat lässt sich Kitosch nicht lange bitten und folgt der hübschen Femi unter die kuschlige Decke. Mit Tracy macht sie, wie bereits weiter oben beschrieben, im Gegensatz dazu unliebsamere Bekanntschaft.


Optisch kann man an dem Film eigentlich nicht allzu viel aussetzen, auch wenn es etwas schwungvoller hätte ausfallen können. Cicero sind sogar ein paar ganz ausgezeichnete Szenen und Einstellungen gelungen. Die düstere und bedrohliche Atmosphäre wird wunderbar unterstützt vom teilweisen schlechten Wetter, die bei den Dreharbeiten geherrscht haben. Der streckenweise stark bewölkte Himmel und das wohl ziemlich kalte Wetter geraten dem Film wirklich zum Vorteil. Die spanischen Drehorte sind ebenfalls ganz fabelhaft. Das
Il tempo degli avvoltoi nicht so richtig zündet liegt aber jetzt nicht unbedingt an Ciceros Inszenierung sondern mehr am nicht immer ganz stimmigen Drehbuch. Auch wenn Fulvio Gicca die Charakterzeichnungen, vor allem von Tracy, sehr gut gelungen sind und der Film in einzelnen Szenen ganz hervorragend ist fehlt der Geschichte irgendetwas um richtig zünden zu können. Mit Ausnahme des Endes, welches mir überhaupt nicht gefallen hat, weiß ich nicht auch nicht genau woran es liegt. Der Film ist brutal, hat interessante Charaktere, hat eine mit ausgezeichneten Szenen versehene Inszenierung, ein paar hübsche Frauen, einen netten Soundtrack und trotzdem fehlt ihm irgendwas.
Der Soundtrack gehört sicherlich nicht zu Piero Umilianis besten Arbeiten im Genre, geht aber ganz gut ins Ohr, hat aber auch ein paar Höhepunkte zu bieten. Für die Sets war hier kein Geringerer als Trash-Papst Demofilo Fidani verantwortlich, der mit
Straniero, fatti il segno della croce (Bekreuzige dich, Fremder) sein Regiedebüt feierte. Fürs Make-up war Fidanis Frau Mila Vitelli zuständig und an dem gibt’s, wie auch an den Sets, nicht wirklich etwas zu kritisieren. An der Kamera war Fausto Rossi, der bei einigen ordentlichen kleinen Western als Kameramann fungierte. So etwa bei Alfonso Brescias
I giorni della violenza (Sein Wechselgeld ist Blei) und
Carogne si nasce (Die Stunde der Aasgeier) oder bei Roberto Bianchi Monteros wunderbarem Giallo
Rivelazioni di un maniaco sessuale al capo della squadra mobile (Schön, nackt und liebestoll). Die DVD von Koch Media aus der Western Unchained ist uneingeschränkt empfehlenswert, bietet sie doch eine hervorragende Bildqualität und zwei nette und interessante Interviews.
Mit
Il tempo degli avvoltoi ist Nando Cicero ein recht ordentlicher Western gelungen, der aber an einem Drehbuch leidet, welches zwar gute Versatzstücke vorzuweisen hat aber ansonsten zu viele Schwachpunkte hat um den Zuschauer durchgehend bei Laune zu halten. Gelungen sind hingegen die beiden Titelcharaktere Kitosch und Tracy, die von Hilton und Wolff auch ausgezeichnet interpretiert wurden. Ansonsten sind Cicero ein paar tolle Aufnahmen und Szenen gelungen, die teilweise schön düster daherkommen.
Il tempo degli avvoltoi ist ein ordentlicher Durchschnittswestern, der gut unterhalten kann aber mit einem katastrophalen Ende sich einiges verhaut. Trotzdem hab ich mich gut amüsiert und mir hat der Film bei der Zweitsichtung durch die neue Koch-Scheibe doch wesentlich besser gefallen als beim ersten Mal. Eine gute Fassung macht einen Film manchmal eben doch besser obwohl das bei manchen Machwerken auch nichts mehr hilft.
(1) Giusti, Marco: Dizionario del Western All'Italiana. Milano, Arnold Mondadori Editore S.p.A. S.521
(Eine starke Geschichte nie gesehen Wucht voller Wut, Sex und Wildheit. Ein ungestümer Film! Brandheiß! Gewalttätig! Wild!)
(2) Kessler, Christian: Willkommen in der Hölle. Der Italo Western im Überblick. Terrorverlag. 2002. S.247
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