Armitage wrote:
@ Subkultur
Hat Code Red eigentlich euer Master benutzt?
In ausländischen Foren diskutieren viele jetzt über eure Fassung, speziell weil überm Teich diese Langfassung erschienen ist,
mit den Szenen, die bei euch im Bonusmaterial zu finden sind.
Da wir schon via Facebook mehrere Anfragen zum Thema bekommen haben inkl. dem Hinweis auf einen Thread bei
blu-ray.com, nutzen wir die Gelegenheit noch einmal für eine Erklärung an alle.
Jedenfalls ist es ein Versuch, den damaligen Ablauf zu rekonstruieren.
Zurück ins Jahr 2014, als wir mit dem Projekt begannen:
Weil wir mit dem bestehenden Master nicht zufrieden waren (das befindet sich übrigens zusätzlich als Hidden Feature auf Blu-ray

), entschieden wir uns in Abstimmung mit unserem Lizenzgeber ATLAS für einen neuen 2k Transfer des Negativs, welcher im Anschluss durch LSP Medien restauriert wurde. Wie es bei uns schon fast obligatorisch ist, packte uns nach Bekanntwerden der spanischen Zensurgeschichte des Films im Laufe des Projekts natürlich wieder das Feuer und wir begaben uns (mal wieder) auf die Suche nach Schnittresten. Unter dem faschistischen Franco-Regime waren ja bereits Sexszenen sehr problematisch, doch männliche Homosexualität war damals ein absolutes No-Go, auch vom gesellschaftlichen Klima her (was ja durchaus ein Thema des Films selbst ist).
Tatsächlich konnten wir nach langem Suchen im Archiv besagte Schnittreste, in Form von Negativ-Kürzungen, bergen. Diese Szenen wurden ebenfalls in 2k Aufösung gescannt und aufwendig von LSP restauriert. Nach erfolgter Materialsichtung gab es erst mal freudige Jubelstürme. Nicht nur das alternative und zensierte Material der spanischen Kinofassung war enthalten, sondern scheinbar auch jene Szenen, die es so mit 100%iger Wahrscheinlichkeit nicht durch die spanische Zensur dieser Zeit geschafft hatten. Vorab ist zu sagen, dass die internationale Fassung unter dem Titel "Cannibal Man" durchaus als "Director's Cut" anzusehen ist. D.h. die international bekannte Schnittfassung wurde so 1973 erstellt. Die zusätzlichen Szenen wurden auch damals bereits als "Schnittreste" deklariert und daher niemals englisch (oder gar deutsch) vertont.
Zurück zum Ablauf: Nachdem besagte Szenen digitalisiert und restauriert waren, fehlte jedoch der dazugehörige Ton. Aus lizenzrechtlichen Gründen hatten wir keinen Zugriff auf die spanische Fassung, noch ergab unsere hiesige Archivrecherche nennenswerte Ergebnisse, daher haben wir uns im Anschluss an den spanischen Rechteinhaber gewandt und freundlich nachgefragt, ob für diese geschnittenen Szenen dort evtl. Ton existieren würde, was aber umgehend kategorisch und vehement verneint wurde.
Weil der VÖ-Termin immer näher rückte und kein Land in Sichtweite war, entschlossen wir uns letztendlich, das Material 1:1 so auf der Disc zu präsentieren, wie wir es im Archiv nach einem 40-jährigen Winterschlaf vorgefunden hatten, gerade weil es es bis zu diesem Zeitpunkt gänzlich unbekanntes Material war, was zuvor niemals der Öffentlichkeit präsentiert wurde und eine kleine Sensation für uns darstellte.
Zwar kam bei unserem Austausch mit dem spanischen Rechteinhaber nicht viel heraus, aber er meldete Interesse an unserem frischen HD Master des Films an und bekam es dann auch von uns angeliefert. Allerdings OHNE das besagte Schnittmaterial, denn dafür gab es ja laut zuvor erfolgter Aussage sowieso keinen Ton!
Einige Zeit ging ins Land, CANNIBAL MAN erstrahlte in neuem Glanz auf unserer VÖ, als eine spanische Blu-ray angekündigt wurde, die dann überraschenderweise auch noch länger laufen sollte... Beim näheren Hinsehen stellte sich heraus, dass die Spanier sich scheinbar ein Exemplar unserer VÖ ergatterten und die wiederaufgetauchten Szenen davon rippten und mit dem angeblich keinesfalls existierenden, aber wie von Zauberhand aufgetauchten Ton (jedenfalls die Menge, die archiviert war) veröffentlicht haben. Als kleines Sahnehäubchen natürlich mit zusätzlichem Filterwolf-Gemenge für unser Master, um die im Bildvergleich zu sehenden Retusche-Fehler einzubauen und das "böse" Grain auszuradieren.
So entstand also eine "Langfassung", welche sich nun scheinbar identisch in den USA auf Blu-ray breitmacht.
Von CANNIBAL MAN existieren zwei Versionen:
- Internationale Fassung (unzensiert in Bezug auf Dialoge, Sex und Gewalt)
- Spanische Fassung (zensiert in Bezug auf Sex, Gewalt, politische Spitzen, aber mit mehr Handlung und Wochenstruktur)
Die auf unserer VÖ enthaltene Version entspricht der internationalen Fassung, welche seit Kinoauswertung 1973 bekannt und anerkannt ist. Die spanische Fassung ist bislang offiziell nicht auf DVD/BD veröffentlicht worden (Kenntnisstand heute). Die deutsche Kinofassung entspricht der internationalen Fassung, wurde jedoch seitens der FSK um einige Gewaltspitzen "erleichtert" (bei uns natürlich unzensiert, Kinofassung ist aber wie oben geschrieben als HF Dabei).
Was da zuerst in Spanien und nun in den USA veröffentlicht wurde, ist eigentlich nichts weiter als ein "Ultimate Final Fantasy Cut" ohne jeden historischen Kontext. Ein Hybrid/Mischmasch aus unzensierter und zensierter Fassung, nur der längeren Laufzeit wegen. Dass sich dabei die zwei unterschiedlichen Ansätze des Films gar nicht vereinen lassen, ist ein anderes Thema. Auch sind darüber hinaus gute 2 Minuten Material weiterhin nicht im Film enthalten, denn für die bereits im Vorfeld der Zensur gefallenen Szenen existiert wohl bedauerlicherweise auch in Spanien kein Ton, wobei gerade diese besonders reizvoll sind.
Wir werden diese besagte "Langfassung" in dieser Form daher sicher nicht veröffentlichen. Interesse hätten wir durchaus an der Rekonstruktion der spanischen Zensurfassung gehabt, oder einer tatsächlichen Rekonstruktion der vollständig unzensierten Originalversion. Weil das aber ohne den Input des zwischenzeitlich verstorbenen Regisseurs Eloy de la Iglesia nicht möglich ist, lassen wir das lieber.