CURTAINS – WAHN OHNE ENDE
Originaltitel: CURTAINS
Kanada 1983/84
Regie: Richard Ciupka
Darsteller:
John Vernon,
Samantha Eggar,
Linda Thorson,
Lynne Griffin

Regisseur Jonathan Stryker (Vernon) und seine Frau, die Schauspielerin Samantha (Eggar), wollen für ihren Film AUDRA recherchieren. Da die Titelfigur „Audra“ ein mental gestörter Charakter ist, lässt Samantha sich unter falschen Vorgaben in eine Psychiatrie einweisen, damit sie dort für ihre Rolle Erfahrungen sammeln kann. Dabei zeigt sich jedoch, dass Samanthas Aufenthalt im Sanatorium auch Einfluss auf die eigene seelische Gesundheit hat – dies merkt schließlich ebenso deren Mann, der sie dann einfach weiterhin als Patientin dort verbleiben lässt. Dennoch will Jonathan Stryker sein Filmprojekt verwirklichen. Für das Vorsprechen der weiblichen Hauptrolle in AUDRA lädt der Regisseur sechs Schauspielerinnen auf sein Anwesen ein. Dies bekommt Samantha in der Anstalt mit, die es denn umgehend fertigbringt, von dort zu fliehen, um dann selbst bei dem Vorsprechen für die weibliche Hauptrolle aufzutauchen. Jonathan nutzt dieses plötzliche Auftauchen seiner Frau aus, um so die einzelnen Schauspielerinnen gegeneinander auszuspielen. Wer wird die beste „Audra“ sein? Hinzu kommt darüber hinaus aber noch, dass die Schauspielerinnen immer weniger werden, denn ein Mörder in einer unheimlichen Hexenmaske scheint außerdem die Rollenauswahl bestimmen zu wollen…



CURTAINS beginnt mit einer Szene auf der Bühne, auf der Samantha einen Text vorträgt – was ihr Mann damit quittiert, indem er ihr sagt, er glaube ihr nicht. Ihr oder deren Rollenfigur? Mit dieser leitmotivischen Sequenz beginnt der Plot, der sich zu einer Art von kritischem oder ironischem Kommentar des Method Acting entwickelt. Der Method Actor soll diesbezüglich eigene Erfahrungen heranziehen und diese in seine Rolle einbauen, um so ein authentisches Level in seinem Schauspiel zu erreichen. Gerade dieser methodische Ansatz, das Persönliche für das Fiktive zu instrumentalisieren, führt der Film immer wieder vor: wenn sich etwa Samantha in die Psychiatrie einweisen lässt, um selbst zur psychisch gestörten Patientin zu werden, oder bei den Sitzungen im Hause des Regisseurs: wenn die einzelnen Schauspielerinnen ihr Verdrängtes an die Oberfläche holen sollen, um so zu „Audra“ zu werden. Somit wäre die Frage: Wer von den Frauen schafft es am anschaulichsten, die Barriere zu einem routinierten Spiel zu überwinden, um dann selbst die wahnsinnige „Audra“ zu sein? Wobei einige Schauspielrinnen dann auch „Sex“ anbieten, um die Rolle zu bekommen (was Regisseur Stryker gerne annimmt, mitunter mit Gewalt); doch andere scheinen wirklich dazu bereit, diesem Wahnsinn keine Grenze zu bieten. Dadurch zerfällt CURTAINS allerdings in quasi zwei Filme: So hätten wir einerseits das Psychogramm der unterschiedlichen Schauspielrinnen; während wir dann andererseits – im Finale – einen typischen Slasher-Film hätten, der die psychologische Entgrenzung des Wahnsinns zu einem blutigen Abschluss bringt. Möglicherweise wurde Regisseur Richard Ciupka durch seinen Produzenten angewiesen, dem damaligen Slasher-Boom seinen Tribut zu zollen, weshalb er sodann im Schlussteil das Slasher-Genre mitbedenken sollte. Zuvor, vor dem Finale, gibt es nur zwei eingestreute Mordszenen, die dem ansonsten sehr ruhig erzählten Film graphische Schauwerte für die Kinokasse geben; denn in seinem Großteil ist CURTAINS eigentlich ein lupenreines Psychodrama…


Insofern bietet CURTAINS nur spärliche Elemente des Slasher-Kinos; die eigentliche Spannung entwickelt sich vielmehr subtil. Die Verklammerung zwischen „Drama“ und „Slasher-Film“ wäre diesbezüglich dann auch weniger in einem narrativen Zusammenfluss zu verorten. Es ist vor allem die erschreckende Maske – das Maskenmotiv –, die beide Genres miteinander verbindet. Für das Slasher-Kino bedeutet die Maske die Anonymisierung des Killers, der seine wahre Persönlichkeit versteckt. Wohingegen im Theater, ausgehend vom griechischen Drama, mit der Maske die damit bezeichnete Person – persona – geradewegs veranschaulicht wird. Und auf dieser zweifachen Wahrnehmungsebene würde die Schauermaske, die der Killer hier trägt, das wahre, das authentische Gesicht der „Audra“ zeigen. Aber auch die Verwendung des „Audra“-Namens im theaterzentrierten Slasher-Film CURTAINS wäre interessant, da sich der Name aus dem Litauischen ableitet und im Deutschen „Sturm“ bedeutet. Dieser „Sturm“ ist im Film wohl als seelischer Furor gemeint, der sich aus den Protaginsten entlädt. Zu diesem „seelisch Wilden“ scheint dann auch das filmische Interieur einen Kommentar abgeben zu wollen. Spielt das Werk doch meistenteils in wunderschönen Räumen, die mit Jugendstil-artigen Verschlingungen ausgestattet sind, die sich auf der optischen Ebene dekorativ hinter die Protagnisten legen, was sodann die introspektive Verschlingung und Verwirrung der Figuren widerspiegeln könnte. So möchte ich CURTAINS als einen sehr uneinheitlichen Film bezeichnen, der eigentlich nicht Slasher-Film – dafür aber mehr Drama ist. Dennoch ist er sicherlich dem großen Kanon des Slasher-Genres zuzuordnen, und hier stellt er dann eine schöne Besonderheit dar…


(Bildquelle: imdb.com)
Trailer: