NACKT IM SOMMERWIND
Originaltitel: THE PRINCE AND THE NATURE GIRL
USA 1964/65
Regie: Doris Wishman
Darsteller:
Joni Roberts,
Jeffery Niles,
Sandra Sinclair,
William Mayer

Die Handlung von NACKT IM SOMMERWIND ist schnell erzählt, da diese nur rahmende Staffage wäre, um (semi-)nackte Tatsachen zu präsentieren: Der wohlhabende Frank A. Prince (Niles) verliebt sich in eine Büroangestellte (Roberts), wobei es mit ihrer Zwillingsschwester (ebenso gespielt von Roberts) zu Verwechslungen kommt. Das Pikante daran ist nun, dass sich der verliebte Prince und seine Angebetete in der Freizeit in einem Nudistencamp treffen, was dem Film die Möglichkeit gibt, sein erotisches Spektakel im bukolischen Ambiente zu inszenieren. Der dramatische Charakter des Films, der Schwesterntausch, der Prince unbemerkt bleibt, löst sich schließlich in einem lustspielartigen Ende auf, bei dem alle Beteiligten einer schönen Zukunft entgegenblicken können. Bereits die Anfangssequenz mit Abendrot und Establishing-Shot auf die grünen Wiesen der Freikörperanlage vermittelt ein paradiesisches Setting. Doch der Kontrast folgt umgehend, wenn die Kamera die mächtigen Betonbauten der Stadt einfangt und in den Büroräumen die Menschen eingepfercht zeigt. Regisseurin Doris Wishman bedient sich hierbei oft einem Puppenhauseffekt, der fast den gesamten Raum in der Totale wiedergibt, in der sich Prince und die Zwillingsschwestern während ihrer Arbeitszeit eingezwängt bewegen. Eine weitere Räumlichkeit im Film wäre sodann das Apartment der Schwestern, das durchaus eine flamboyante Ausstattung erfahren hat. Dort sehen wir ein Interieur, welches über farbenfrohe Muster verfügt und somit das Auge des Betrachters sehr erfreut – wenn etwa die Schwestern sich vor dem stylischen Vorhang umziehen, oder aber auch nur alltäglichen Tätigkeiten nachgehen. Wir können also von drei Lebenssphären sprechen, in denen die Menschen sich verorten: Doris Wishman dokumentiert in NACKT IM SOMMERWIND die Arbeitswelt, dies ein Ort des Zwangs und der Tristes; der Wohnraum wird als Zwischensphäre wahrgenommen, wo sich der Zivilisationsdruck minimiert, jedoch nicht gänzlich aufgehoben ist; und schließlich findet im Nudistencamp das „freie Leben“ statt, ein Leben, wo der Homo ludens regiert, was sich dann in solchen Szenen verifiziert, bei den Volleyballmatches, zwangloses Bogenschießen oder andere Arten der Freizeitbeschäftigung dargestellt werden – und dies nun alles im Kostüm von Adam (allerdings mit Badehose) und Eva…

THE PRINCE AND THE NATURE GIRL – so der märchenhafte Originaltitel – stellt dabei das finale Werk von Wishmans glamourösen Kolorit-Extravaganzen dar, die zwischen 1960 und 1965 entstanden sind und dem Genre des „nudist films“ zuzuordnen wären. Und welchen Genreregeln diese Art des frühen Sexfilms folgt, dies soll hier nun nicht weiter dargelegt werden – an anderer Stelle, in meinem Beitrag zu Wishmans NUDE ON THE MOON, wurde dies schon von mir zu charakterisieren versucht. Auch taugt NACKT IM SOMMERWIND nur bedingt dazu, Doris Wishmans besondere Montagetechnik, die sich dem akademischen Erzählen durch „continuity editing“ weitgehend verschließt, zu erörtern. So blitzen hier diese irritierenden Zwischenschnitte nur gelegentlich auf. Bei NACKT IM SOMMERWIND liegt die stilistische Ausformung woanders, nämlich im Fixieren des Raums. Denn statische Einstellungen, langsame Kamerabewegungen bestimmen den Filmverlauf, so dass der Eindruck entsteht, dass das Film-Bild quasi zum Stilstand gebracht werden soll. Wishman legt hier größten Wert auf eine fixierte Bildkomposition, nicht auf die Dynamik des szenischen Ablaufs, was sich nicht zuletzt auch darin zeigt, dass die Darsteller von links kommend in den Filmraum regelrecht hineinlaufen – sie werden also nicht in das „Bild“ hineinmontiert (Schuss – Gegenschuss etc.). Strukturell entsteht somit das Muster, dass es die Regisseurin dezidiert darauf anlegt, dass die Darsteller, kommen sie ins „Bild“, den Betrachter-Raum zunächst verlassen, um darauf dann die imaginierte Welt Wishmans zu betreten! Joni Roberts, die Darstellerin der Schwestern, posiert dann überaus künstlich im Raum, nimmt neckische Posen ein, dreht sich bewusst unnatürlich der Kamera zu, so als würde sie für eine Fotoaufnahme Model stehen – nur dass das Film-Bild gleichzeitig auch das fertige „Bild“ impliziert, sieht dieses doch der Betrachter vor sich dargestellt. Wenn es die Aufgabe des Stils ist, damit eine bestimmte Funktion zu erfüllen, dann ist dies gerade NACKT IM SOMMERWIND bestens geglückt. Die Intention, einen Sexfilm im Nudistengenre zu drehen, erfüllt Doris Wishman somit hier meisterhaft, indem sie ihren Film in ein „bewegtes Männermagazin“ verwandelt, wo sich die Herrschaften die Damen in gestelzter Pose anschauen können, sei es jetzt in freier Natur (einzeln und in Gruppen) oder bei den Schwestern zu Hause. Diese ästhetische Referenz Wishmans auf die damaligen Herrenmagazine macht NACKT IM SOMMERWIND so herrlich unschuldig. Doris Wishmans Stil zeigt darüber hinaus aber auch, dass die Regisseurin ganz genau gewusst hat, wie das gestellte Thema (einen Sexfilm zu drehen) zu behandeln war – was sich nach den charmant naiven Farb-„nudies“ schließlich in einen Noir-Ton schwarz einfärben sollte, als es an Wishmans „roughies“ ging…

Neben der Männermagazine der 60er Jahre könnte natürlich auch die Kunstwelt als Inspirationsquelle dem SOMMERWIND gedient haben; wie hier etwa bei Manets Gemälde "Das Frühstück im Grünen" die nackte Frau im Vordergrund dargestellt ist, erinnert auffällig an einige Shots in Wishmans Werk...

nackte Unschuld und bukolischer Frieden beherrschen das "Bild"...
Trailer: