Schön, dass dieser Thread scheinbar einen Nerv getroffen hat.
Ohne lange Umschweife direkt zum zweiten Teil
Teil 2: SORTIEREN / KATALOGISIEREN / SICHTEN „Die Kisten sind da! Die Kisten sind da!“ tönte es nach ihrer Ankunft am Bestimmungsort. Was aber grundsätzlich positiv zu klingen scheint, ist leider nur der Anfang einer Reise, deren Ziel derzeit noch unbekannt ist.
Da alles geborgene Material nach dem Wasserschaden dereinst einfach nur wild gestapelt wurde, war auch das Chaos in den Kisten perfekt. Ein riesiges Durcheinander bremste die Euphorie, noch bevor das wahre Elend sich auf den zweiten Blick zu erkennen gab.
Insgesamt 8 große, schwere und gebeutelte Kartons mussten zunächst ausgepackt und geordnet werden, was jedoch einem Puzzlespiel glich, denn es gab im Vorfeld keine genauen Informationen, was im dunklen Kellerverlies über Jahrzehnte hinweg eingemottet war. Von Negativen, Vorführkopien und anderen Materialien war die Rede, doch in Wahrheit war es mehr, bedeutend mehr, und NICHTS davon wurde vom Wasser verschont. Was wurde denn nun tatsächlich aus der feuchten Dunkelheit geborgen?
Generell ist eine Sortierung relativ problemlos möglich, da jede einzelne Büchse, jeder einzelne Karton und jede einzelne Kopie in der Regel sorgfältig und akkurat beschriftet ist, doch in diesem Fall tauchte bereits bei einer theoretisch einfachen Sache das erste große Problem auf. Nur ein Bruchteil des gesamten Materials konnte anhand des Etiketts identifiziert werden, der Rest war entweder ausgeblichen, weggegammelt, löste sich beim Transport ab und flatterte wahllos in den Kisten rum, oder war schlicht und ergreifend einfach nicht beschriftet.
Immerhin, die erste halbwegs brauchbare Büchse, die auftaucht, stammt vom Interpositiv. Ja, es ist tatsächlich die beste Büchse mit dem besten Zustand, auch wenn es nicht den Anschein hat:
Wegen der extrem starken Verschmutzung wurde das Material vorerst an einem anderen Ort gebracht und dort vorsortiert.
Auch um einer "feindlichen Übernahme" seitens Essig, Schimmel oder sonstigen Verbrechern auf andere gelagerte Materialien vorzubeugen.
Zur "Begrüßung" direkt eine unbeschriftete und vollgestopfte Dose mit einer rotstichigen Positivkopie und ein Karton mit völlig verblichenen Etiketten:
Um einen Überblick zu erhalten, wurde jeder Kisteninhalt nebeneinander ausgebreitet:
Die Materialien mit lesbarer Beschriftung bildeten die Basis für die weitere Zuordnung. Im nächsten Schritt fand die Orientierung an Kartonfarben/-nummern statt, mit dem Ziel, einzelne Komponenten ihrem möglichen Gegenstück zuzubringen.
Das englische Tonnegativ konnte nur durch ein dickes rotes Kreuz auf grünem Untergrund zusammengefügt werden, da die Etiketten entweder ausgeblichen oder gar nicht beschriftet waren.
War eine solche Zuordnung nicht möglich, wurden die jeweiligen Büchsen/Kartons geöffnet (sofern möglich, da einzelne Dosen zugerostet waren) und der Inhalt mittels Optik zugeordnet. Leicht wurde es mit den kleinen Röllchen, welche allgemein alternative Titel, Trailer (Bild- und Tonnegativ) oder evtl. Outtakes oder ähnliche Sachen enthalten. Aufgrund ihres Umfangs können sie im Vorfeld bereits als Bild- und Tonmaterial des eigentlichen Hauptfilms ausgeschlossen werden, was die Zuordnung erleichtert.
Titelmaterial (Hintergründe, Textings) ohne direkte Eindringung von Wasser. Glück?
Mitnichten, auch hier starke Verschmutzung und Schimmelbildung:
Trailermaterial. Sichtbar sind die teilweise drastischen Schimmelbildungen:



Nach einigen mühseligen Schichten war die Vorarbeit erledigt und das gesamte Material konnte identifiziert werden. Um die vagen Aussagen zum Umfang des Materials in harte Fakten zu verwandeln, wurde alles säuberlich katalogisiert und archiviert, denn diese Arbeit möchte man nur einmal machen.
Unterm Strich wurde praktisch das gesamte Quellmaterial von JET GENERATION aus dem Keller geborgen.
- 35mm deu. Interpostiv (10 Rollen)
- 35mm eng. Tonnegativ (10 Rollen)
- 17,5mm Mag. Mischung (10 Rollen)
- 17,5mm Mag. Musik (10 Rollen)
- 17,5mm Mag. Geräusche (10 Rollen)
- 17,5mm Mag. Arbeitsfassung (ca. 10 Rollen)
- diverses 35mm Titelmaterial Haupfilm in Dosen (12 Rollen)
- diverses Trailermaterial in Karton/Dosen (Bild-Neg, Ton-Neg, Interpos, Titelmaterial usw.)
- 35mm Positiv Kopie (unvollständig, ein Akt ohne Kern, gequetscht)
- 35m Tonneg Jet Generation laut beschriftung "5b" (aber 600m satt 300m, daher vermutlich 5a/b))
- 35mm Karton mit unbekanntem Inhalt, da komplett verschimmelt
Was jetzt aber nach fetter Ausbeute ausschaut, ist in Wahrheit nichts mehr als reines Elend. Es ist unser erstes Projekt, bei dem regelrecht tonnenweise Material aufgetaucht ist und unter halbwegs normalen Umständen würden bei so einem Fund die Freudentränen kullern, doch es macht keine Freude, da nahezu 80% der Gesamtmenge rein optisch abgeschrieben werden muss.
Um nun die Spreu vom Weizen zu trennen, muss jede einzelne Büchse, jeder Karton, jeder Frame eine (optische) Kontrolle erfahren, ob und was davon überhaupt für weitere Schritte in Frage kommen könnte. Über dieser Phase schwebt allerdings ein bestialischer Essiggeruch. Es war also Eile geboten, denn wir sprechen hier von beißendem Geruch, von Kotzreiz und penetranten Kopfschmerzen. Und vor allem von einer Zelluloid-Leiche, die sich zwischen dem Material versteckt hat und damit droht, den gesamten Rest zu infizieren, sollte das noch nicht geschehen sein. Das Essigsyndrom ist ein Krebsgeschwür, ein fieser Virus, der droht sein Umfeld anzustecken und sich schleichend auf ihm nahestehendes Material zu übertragen.
Man folgte dem Geruch und die erste Ernüchterung machte sich breit. Die Kartons der isolierten Geräusche und der isolierten Musik sind feucht, mit Schimmel überzogen.
Obwohl sie nicht direkt im Wasser standen, sind sie dennoch zum Opfer der hohen Luftfeuchtigkeit geworden:




Die nächste Geruchsbelästigung kam vom mittlerweile vollständig zusammengetragenen Interpositiv. Eigentlich eine optimale Grundlage für die Restauration eines Films, da es als Arbeitsergebnis (direkt vom Negtiv kopiert und lichtbestimmt) die intendierte Fassung der Filmemacher enthält, doch wozu sollte man auch Glück haben? Der Wasserschaden sorgte für ordentlichen Lochfraß und bereits der äusserliche Anblick der so sehr geschätzten Bildquelle ist ein Albtraum:


Zerrostete Dosen und beschädigtes Material so weit das Auge blickt, doch zur großen Überraschung scheint der schlimmste Essiggeruch nicht vom Interpositiv zu kommen, denn bei der direkten Schnüffelprobe erwies es sich als 'zurückhaltend' (was man unter diesen Umständen hier fast schon als guten Zustand bezeichnen könnte). Trotzdem ist das Material bereits stark wellig und hat die Zeit nicht gut überstanden, zudem hat sich der Rost der sich auflösenden Dosen teilweise über dem Material verteilt. Hier ist besondere Vorsicht geboten, den wenn diese Metalstücke zwischen die Wicklungen fallen (die sich über die Jahre hinweg gelockert haben) besteht erhöhte Gefahr, das Material weiter zu beschädigen und zu zerkratzen.


Trotz der riesigen Menge Material war die Suche nach dem "Essig-Teufel" nicht unendlich und der wahre Übeltäter konnte recht zügig entlarvt werden. Die Rede ist vom Magnetton, der PERFEKTEN Quelle für die optimale Restauration einer Tonspur, praktisch die Mutter aller Tonsspuren und für Puristen definitiv immer die erste Wahl, denn nichts kann diese Qualität übertreffen. Das sollte man meinen, aber Übeltäter bleibt Übeltäter, und der Magnetton ist die Ursache für latenten Kotzreiz, Kopfschmerzen und panikauslösender Atemnot.
Bilder sagen mehr als tausend Worte:

Zerfressen, zerstört und frustrierend, oder einfach nur ein großes "SCHEISSE". Die Mutter des Tons ist tot, jede Wiederbelebungsmaßnahme hoffnungslos ausgeschlossen. Das ist die Quelle des unfassbar beißenden Gestanks, vom eingedrungenen H2O vom Planeten gefegt. Anhand der völlig aufgelösten Dose im Hintergrund von Bild 2 kann man erahnen, wie sich ein derartiger Zersetzungsprozess auf die Atemwege auswirkt.
Nach der Beseitigung von insgesamt zwei vollen Schaufeln (!!!) Rost haben wir Status Quo, was abschließend bedeutet: JET GENERATION droht für immer zerstört zu sein. Um aber die Gewissheit zu bekommen, ob der Film irgendwie gerettet werden kann oder auch nicht, müssen wir nun mühevoll und mit einer Menge Handarbeit viele grobe Verschmutzungen, Schimmel und co. beseitigen, bevor es zu ersten Digitalisierungstests kommen kann.
Was die Ergebnisse bringen werden, veröffentlichen wir dann demnächst im dritten Teil unseres Reports.