SEXUALRAUSCH[THE TOY BOX][USA][1971]
Regie: Ronald Víctor García
Darsteller: Sean Kenney, Ann Perry, Jack King, Neal Bishop, Debbie Osborne, T.E. BrownEs gibt ja so Dinge, die gibt’s gar nicht...
Bereits während des Vorspanns wähnt man sich buchstäblich im falschen Film, wenn zu den Titeleinblendungen eine Spielzeugeisenbahn um ein paar Puppen herumfährt, um schließlich von einer auf den Gleisen liegenden Nuckelflasche gestoppt zu werden.
Gut, nun heißt das Ganze im Original THE TOY BOX, von daher ist das vielleicht sogar noch nachvollziehbar.
Kaum 80 Minuten später allerdings lässt sich so rein gar nichts mehr nachvollziehen. Stattdessen fragt man sich, ob man da wirklich gerade nen Film gesehen oder vielleicht mal tüchtig eins mit dem Vorschlaghammer auf den Kopf bekommen hat - SEXUALRAUSCH ist nämlich nicht mehr und nicht weniger als die verfilmte Merkwürdigkeit.
Inhaltlich liest sich das Ganze wie folgt:
Wenn 'Onkel' [Jack King] zur Sause lädt, dann zögert der gemeine Swinger nicht lang: Von fern und nah strömen verdorbene Männlein wie Weiblein in 'Onkels' altes Haus, um bei der bunten Massensexorgie mal wieder so richtig die Sau freizulassen (die Losung lautet übrigens: 'Glücklicher Onkel').
Dort stehen dann Dinge wie geistenskrankes Herumtanzen, fröhliches Rudelbumsen und beknackte Rollenspielereien auf dem Tages- bzw. Nachtplan.
Alle halbe Stunde jedoch muss ein Pärchen die Treppe hinauf: Dort wartet bereits 'Onkel' auf sie, ein fetter alter Sack, bequem in seinem Ohrensessel sitzend, dem die Auserwählten dann ordentlich was vorficken dürfen.
Sollte das Gezeigte sein Wohlwollen ernten, darf danach in die Spielzeugkiste gelangt werden, welche eine schöne Belohnung für die Kopulierer bereithält.
Doch Ralph [Sean Kenney] und Donna [Ann Perry], zwei Stammgäste der gepflegten Feierlichkeit, kommt dieses Mal so einiges nicht geheuer vor, zumal es hieß, 'Onkel' sei bereits verstorben.
Donna (bei 'Onkels' Anblick im Sessel): „Warum liegt er denn nicht in einem Sarg?“
Ralph: „'Onkel' in einem Sarg? Der ist doch kein Spießer!“
Und tatsächlich entdecken sie Entsetzliches: 'Onkel' ist fürwahr bereits längst abgenippelt. Ein Alien jedoch hat sich dessen Leiche bemächtigt und steuert dieses nun fremd (und obwohl er beim Sprechen gar nicht mehr die Lippen bewegt, bemerkt das ansonsten niemand).
Der Grund dafür liegt quasi auf der Hand: Das außerirdische Wesen sammelt Menschen, um sie auf seinem Planten zu verkaufen, schließlich sind diese und ihr labiler Verstand dort eine ebenso beliebte wie illegale Droge.Droge scheint überhaupt das richtige Stichwort zu sein, denn in nüchternem Zustand kann dieses Kuriosum kaum entstanden sein – oder um es mit Donnas Worten auszudrücken:
„Erzähl uns endlich, was das alles hier soll!“ Abgetrennte Köpfe teleportieren sich durch die Gegend, geheimnisvolle Lichter blinken und sprechen dabei, eine Frau hat Sex nicht
im Bett, sondern
mit dem Bett, dichter Nebel wabert durchs Bild - dazu gesellen sich Szenen, die man eher in einem Monty-Python-Film vermutet hätte, und Dialoge, die der Bezeichnung 'hohl' neue Dimensionen verleiht.
Ist das Ganze freilich im Original schon beknackt genug, arrangierte die deutsche Fassung alles noch mal ein bisschen neu:
So sah man sich genötigt, das ganz und gar schmuddelige Treiben mit einem erklärenden Kommentar zu versehen.
Gut, 'ne Erklärung ist eigentlich auch dringend notwendig bei dem so absurd Kredenzten, doch die Explikation versucht nicht etwa, dem Publikum das Geschehen anschaulicher zu gestalten.
Stattdessen wird einem ein moralinsaurer Vortrag über die Verdorbenheit des Menschen, seiner hemmungslosen Gier und primitiver Triebbefriedigung um die Ohren gehauen, mit solch einer inbrünstigen Penetranz und Nachdruck, dass man sich ob der Verkommenheit der eigenen Spezies gleich vor den nächsten (Spielzeug-)Zug werfen möchte.
Bereits der Anfangskommentar ist dermaßen tiefschürfend, dass er einfach komplett zitiert werden muss:
„Wenn man die materiellen Werte über die menschlichen stellt, wenn man den eigenen Körper in zahllosen Ausschweifungen zerstört hat und der Sexualtrieb abgestumpft ist, wenn von allen früheren Bedürfnissen nur noch eine unersättliche Machtgier übriggeblieben ist und der Hass auf die Jugend mit ihren zahllosen Möglichkeiten, dann gebraucht man die Macht, die man in den Händen hält, nicht zum Wohl der Mitmenschen, sondern zu ihrem Verderben. Und der Hass wird immer größer je mehr man spürt, dass man zum Zuschauen verurteilt ist, dass man die eigene Leere, Verlorenheit und Sinnlosigkeit des Daseins nur noch dadurch erträglich gestalten kann, dass man als Voyeur am Verderben der anderen Menschen teilnimmt, die man in materielle Abhängigkeit gebracht hat.
Es ist einfach in der heutigen Zeit, wo die menschlichen Werte veräußerlicht sind, wo der einzige Maßstab das Geld und alles käuflich ist, Menschen dazu zu brigen, ihre Würde zu verschachern, um sich zum Spielzeug eines perversen Voyeurs zu machen, der sein erbärmliches kleines Ich zu scheinbarer Größe aufbläht, wenn er andere Menschen wie Marionetten ohne eigenen Willen agieren lässt, ihr Intimstes bloßlegt, sie quält und lächerlich macht.
Gegen Bezahlung werden sie zu Exhibitionisten, die ihren eigenen Körper und dessen Funktionen zur Schau stellen.
Wenn ein zum Voyeurtum verurteilter Psychopath (!!) über ausreichende Mittel verfügt, sich unerreichbar durch Unbefugte, versteckt vor den Augen des Gesetzes weiß, wenn er seine geheimen Wünsche ausleben kann ohne die Ächtung der Gesellschaft fürchten zu müssen, dann beginnen die sexuellen Fantasien unkontrolliert zu wuchern und sich von einer Perversion in die andere hineinzusteigern in ein bizarres Inferno der seelischen Abgründe, wo Traum, Wachzustand, Vorstellung und Realität verschmelzen zur grotesken Wirklichkeit des sexuellen Wahnsinns, der nur ein erbärmlicher Ersatz ist für den echten menschlichen Kontakt.“Hallejuja, Baby! Da hat aber jemand seine Hausaufgaben gemacht (wer das auswendig lernt, ist garantiert der Knaller auf der nächsten Party)!
Nochmal zum mitschreiben: Man hat es hier mit einem versifften Schmuddelstück zu tun über ein Alien, das Menschen sammelt, zu diesem Zweck in den Körper eines toten Lustgreises gefahren ist, um die begehrten Kohlenstoffeinheiten, die auf seinem Planeten als illegale Droge gehandelt werden, vor seinen toten Augen miteinander kopulieren zu lassen.
Und aus diesem Sammelsurium des Schwachsinns hat man versucht ein tiefschürfendes, dokumentarisch angehauchtes Moralstück über die Verworfenheit des Menschen zu machen - der erzkonservative Konsens, der von der Norm abweichendes Sexualverhalten als krank und gesetzeswidrig bezeichnet, sei dabei noch nicht mal erwähnt.
Dazu passend wurden auch in die Synchronisation immer wieder Dialoge eingefügt, in welcher die Geldgier der Leute erwähnt wird, und dadurch suggeriert, dass die auftretenden Personen sich nur aus reinem Gewinnstreben in sexuelle Abhängigkeit haben treiben lassen, während der eingefügte Off-Kommentar tüchtig die Moralkeule schwingt und den vermeintlichen Werteverlust bejammert.
So wird einem hier nun in einem spekulativen Sexploiter, in dem es hauptsächlich darum geht, nackte Titten, Ärsche und Muschis zu präsentieren, tatsächlich ständig vorgejammert, der Mensch sei nur noch ein Voyeur.
Es wäre wahrlich interessant zu erfahren, ob nach dieser einleitenden Standpauke wirklich ein paar Besucher aus dem Sessel gesprungen sind, ihr Eintrittsgeld zurückverlangt haben, um als neue, befreite Menschen nach Hause zu gehen und ein neues, gottesfürchtiges Spießerleben zu beginnen.
Eingesprochen wurde das vermeintlich tiefschürfende Geraune auch noch von Christian 'Robert De Niro' Brückner und zwar in seiner mahnenden Holocaust-Gedenk-Doku-Stimme (übrigens schön über die am Ende des Vortrags bereits eigentlich stattfindenen Dialoge hinweg).
In diese Richtung geht es im weiteren Verlauf auch munter weiter, immer mal wieder wird mit bierernster, bedeutungsschwangerer Stimme der Untergang des Abendlandes prophezeiht, weil alle nur an Geld und Ficken denken. Da ist schon mal von 'sexueller Erniedrigung' diese Rede, obwohl allzu offensichtlich alle mit nem Riesenspaß bei der Sache sind.
Zum Schluss veränderte man im Finale auch noch ein wenig den (ohne kaum vorhandenen) Sinn und kehrte das Science-Fiction-Element nahezu komplett unter den Teppich, um stattdessen eine weitere verbale Standpauke über die Verworfenheit des Menschen einzuflechten (Ralph kommentiert das sehr treffend mit:
„Das ist doch eine ganz üble Philosophie! Wen wollen sie denn mit dem Blödsinn hinter'm Ofen hervorlocken?“).
Kaum der Rede wert, dass diese Änderung das Geschehen noch unverständlicher macht, da die scheinbar übernatürlichen Kräfte des Porno-Zombies quasi gar nicht erklärt werden und die Bedeutung der Schlussszene ebenfalls nebulös bleibt.
SEXUALRAUSCH ist fast unmöglich zu bewerten - nach konventionellen Maßstäben würde der Versuch kläglich scheitern.
Immerhin kann man die Feststellung machen, dass die enorme Verrücktheit dieses fast schon psychodelisch anmutenden Trips einen ebenso ungewöhnlichen wie bizarren Zeitvertreib gewährleistet.
So ist THE TOY BOX zwar eine verdammt billige, aber immerhin keine wirklich lahme Kiste geworden - und hat ja vielleicht sogar ein paar Seelen vor der Verderbtheit gerettet.
Denn, wie heißt es doch so schön am Ende?:
Die totale Destruktion der Persönlichkeit ist nun nicht mehr aufzuhalten. Das 'Ich' zerfällt, und das Dasein des zur Marionette herabgewürdigten Individuums endet in hoffungsloser Leere."Amen!