DIE GNADENLOSEN VIER
Originaltitel: POSSE FROM HELL
USA 1960/61
Regie: Herbert Coleman
Darsteller:
Audie Murphy,
John Saxon,
Zohra Lampert,
Vic Morrow,
Lee Van Cleef

In der kleinen Stadt Paradise rauben vier entflohene Verbrecher die Bank aus, außerdem wird eine weibliche Geisel mit auf die Flucht genommen; denn verfolgt wird die Bande vom Einzelgänger Banner Cole (Murphy – der Regisseur heißt Cole[man]), der zusammen mit weiteren Bürgern eine Posse zusammenstellt, um die Verfolgung aufzunehmen…

Der deutsche Verleihtitel DIE GNADENLOSEN VIER trifft die Werkintention leider nur sehr unzureichend. Bereits während der Titeleinblendung brennt im Hintergrund ein infernales Feuer, welches auf Schuld und Sühne verweist und damit dem Originaltitel POSSE FROM HELL eine adäquate Folie bietet. Insofern ist „Paradise“, der Ort, an dem das Geschehen beginnt, natürlich auch ein sprechender Name, der auf das heilsgeschichtliche Paradies referiert (dahingehend, nach dieser Logik, könnten die vier in die Stadt reitenden Gnadenlosen die vier apokalyptischen Reiter sein). In diesem vermeintlich friedlichen Ort tritt mit der Ankunft der vier Gnadenlosen sodann der Sündenfall ein. Denn diese richten dort ein blutrünstiges Massaker an – mehr aus Sadismus heraus, als aus pragmatischem Bemühen, um schnell an das Geld zu kommen. Im Augenblick des realen Schreckens bekommen die Bewohner ihre Binde der Ignoranz von den Augen heruntergerissen (filmisch schön als Metapher durch den Binde-tragenden Jungen am Anfang dargestellt) und müssen sich nun der Wahrheit stellen. Diese Wahrheit, die auf der biblisch moralischen Symbolebene des Films, einem Schmecken vom Baum der Erkenntnis gleichkommt, führt dazu, dass sie sich ihre eigene Feigheit, ihren falschen Schein, der ein anderes Sein verdeckt, eingestehen müssen. Dies fängt schon damit an, dass Cole kaum Leute für die Verfolgung zusammenbekommt. Aber auch der Einzelgänger Cole ist überhaupt nur in die Situation des Verfolgers gebracht worden, weil er eine alte Schuld, die im Film nicht weiter diskutiert wird, gegenüber dem getöteten Sheriff zu begleichen hat. Die wenigen Leute, die dennoch mit Cole reiten, scheinen dies aus den falschen Gründen zu tun. Weniger geht es darum, die entführte junge Frau zu befreien und das Geld wieder an sich zu bringen, als dass egoistische Gründe im Vordergrund stehen. So will der Bruder eines Getöteten den Schein auf Rache wahren; ein alter Soldat will sich noch einmal sein militärisches Können beweisen; wobei ein junger Dandy-artiger Bankangestellter (Saxon) seinem Chef seine Furchtlosigkeit zu demonstrieren gedenkt. Diese Diskrepanz zwischen vorgeschobenen Motiven und den wahren generiert dann auch eine Konfliktkette, die während der Verfolgungsjagd im Film hervorgekehrt wird…

Aufgrund seines Schuld-beladenen Themas ist POSSE FROM HELL recht düster inszeniert; tiefe Brauntöne dominieren die Farbtextur des Films und evozieren bereits unterschwellig das Schuldmotiv. Hierbei wäre die Herausstellung der entführten jungen Frau interessant, die sich nach ihrer Vergewaltigung durch die Bande schuldig fühlt, was Cole so kommentiert, dass sie für ihn weiterhin unschuldig sei; die Szene, in der die Entführte ihre Schuld durch ein Bad – vor den Augen Coles – abwaschen will, ist denn auch eine sehr eindrucksvolle. POSSE FROM HELL bietet insofern also mehr als nur die gängigen Standardsituationen des Genres; seine Figuren nimmt der Film durchaus ernst und verleiht ihnen Tiefe. Der Schluss, bei dem dann auch der Junge seine Binde verloren hat, ist für meinen Geschmack dann doch etwas zu pathetisch in seiner moralischen Betrachtung ausgefallen, vor allem: was den inneren Monolog Coles angeht. Trotzdem möchte ich POSSE FROM HELL ausdrücklich als einen kleinen B-Western empfehlen, der sich nicht nur auf wilde Schießereien konzentriert, sondern durchaus komplexe Handlungsmotivationen darzustellen vermag…
(Bildquelle: imdb.com)