
In Turin wird der von allen verachtete und anzügliche Architekt Garrone mit einer überdimensionalen Penisstatue erschlagen in seiner Wohnung aufgefunden. In Verdacht geraten einige hochangesehene Persönlichkeiten der Stadt darunter die frustrierte Industriellenfrau Anna Carla Dosio sowie der Homosexuelle Massimo. Für den aus dem südlichen Rom stammenden Kommissar Santamaria also eine mehr als heikle Angelegenheit.
Regisseur und Drehbuchautor Luigi Comencini, von dem ich bereits den wunderbaren
Delitto d’amore (Verbrechen aus Liebe) mit Giuliano Gemma und Stefania Sandrelli genossen habe, liefert uns mit
La donna della domenica (Die Sonntagsfrau) einen äußerst amüsanten und ironischen Blick auf die bürgerliche Gesellschaft Turins in den 1970’er Jahren mit unzähligen herrlichen sexuellen Anspielungen. Nachdem ich bei der Erstsichtung ein wenig enttäuscht war konnte mich der Film letztens bei der dritten Betrachtung dann doch noch vollends überzeugen. Das bestätigt wieder einmal meine These dass man Filme nicht gleich wieder verkaufen sollte wenn er beim ersten Mal nicht so richtig zündet. Manche Filme werden eben mit jedem Male ein Stückchen besser, manche aber natürlich auch nicht. Mit
La donna della domenica verfilmte Comencini einen Roman gleichen Titels des italienischen Autorenduos Carlo Fruttero und Franco Lucentini, dem Anfang der 70‘er ein großer Erfolg beschieden war.


Neben der famosen Inszenierung lebt der Film vor allem von seinem glänzend spielenden Schauspielensemble, die einen wunderbaren Haufen skurriler Figuren darstellen dürfen. In der Rolle des widerlichen, unsympathischen und allseits unbeliebten Architekten Garrone brilliert der große italienische Theaterschauspieler Claudio Gora, der uns allen wohl bekannt ist durch den grandiosen Western
L’odio è il mio Dio (Il Nero – Hass war sein Gebet), bei dem er sich als Regisseur so richtig austoben durfte. Wie Garrone mit den Frauen umspringt ist schon unglaublich abstoßend und widerwertig und auch alles andere als von Erfolg gekrönt. Da gibt es eine großartige Zungenschnalzer- Szene mit ihm und Anna Carla Dosio, die zum Brüllen ist. Zur Beruhigung aller weiblichen Zuschauer wird Garrone dann aber recht schnell und symbolträchtig ermordet, in dem er mit einem überdimensionalen Phallos aus Stein eins über die Rübe bekommt. Von wem, darum kümmert sich Commissario Santamaria (bei dem ich bedauerlicherweise immer an Sky DuMont Figur aus dem
Schuh des Manitu denken musste), der als Römer im nördlichen Turin so seine Problemchen hat. Delitto d’amore beschäftigt sich übrigens ebenfalls mit der Einwanderthematik, in dem eine junge Süditalienerin in den Norden nach Turin auswandert und sich dort mit unmenschlichen Lebensbedingungen und Diskriminierung herumschlagen muss und als billige Arbeitskraft missbraucht wird.
Der etwas prüde wirkende Santamaria ist eine sehr schöne Rolle für Italiens Playboy numero uno Marcello Mastroianni. Außerdem hat er ein paar herrliche Momente mit Anna Carla Dosio, die von Jacqueline Bisset dargestellt wird. Zwei recht amüsante Gestalten sind auch Santamarias Kollegen Nicosia und De Palma, der die meiste Zeit über damit beschäftigt ist sich seine Achseln zu trocknen. Nicosia versucht einmal bei einer Überwachungsaktion Santamaria mit einer gehörigen Anzahl witziger tierischer Synonyme zu erklären dass sich Massimo Campo bei seinem Freund Lello befindet und die beiden ein Pärchen sind (Nicosia: (…)
"Er trägt ein ganz schön warmes Jäckchen. Und er steht besonders auf Böcke. Er ist handgestrickt Schwul." – Santamaria:
"Ahh, warum sprechen sie eigentlich wie ein Förster?") Allerdings gilt das nur für die deutsche Synchro, in Italienisch geht’s ein wenig deutlicher zur Sache (Nicosia:
"Er ist ein warmer Bruder. Die stehen auf Ärsche!" – Santamaria: "Wieso zum Henker redest du Sizilianisch?"). Außer ein paar Änderungen ist die deutsche Synchro ansonsten wirklich gut gelungen aber wie das bei deutschen Synchros üblich ist wird hier aus unerfindlichen Gründen des Öfteren aus einem Du ein Sie, ich weiß nicht warum die Deutschen so auf dieses Sie versessen sind. Das ist für mich komplett unverständlich vor allem wenn es im Original nicht der Fall ist. Manchmal, bei Serien beispielsweise, erreicht das sogar regelrecht skurrile Auswüchse wenn sich jahrelange Arbeitskollegen, die sogar schon miteinander rumgemacht haben, sich immer noch mit Sie ansprechen.


Na ja, was solls. Hier wird häufig über die Aussprache von diversen Begriffen gestritten (sagt man nun Boston oder Baston usw.). Als beispielsweise Massimo Santamaria fragt wie er denn Boston aussprechen würde versucht er es möglichst leise und etwas genuschelt auszusprechen damit Massimo nicht merkt dass er nicht genau weiß wie man es nun wirklich ausspricht. Massimo wird dargestellt von Jean-Luis Trintignant, u.a. bekannt als Silenzio in Sergio Corbuccis
Il grande Silenzio (Leichen pflastern seinen Weg). Der großbürgerliche Massimo befindet sich in einer Art Beziehung mit Lello, der sich irgendwo zwischen Unterschicht und Mittelschicht befindet. Das Problem warum ihre Beziehung geheim gehalten wird ist also weniger ihre Homosexualität, mit der in dem Film ganz offen umgegangen wird, sondern ihre starken Klassendifferenzen. Nicht mal ein Küsschen bekommt man zu sehen. Amüsant ist noch die "Nutten-Jagd" auf dem Anwesen zweier alter Weiber, auf deren ziemlich zugewachsenen Gelände sich immer die Prostituierten mir ihren Freiern vergnügen was den beiden Alten natürlich mächtig stinkt. Und wie sich die Polizisten bei der Verhaftung anstellen ist ein wahrer Schenkelklopfer. Dann gibt’s da noch zwei Brüder, die riesige Steinpenisse herstellen, die unter anderem von Garrone verkauft wurden. Die beiden haben es zwar auch mal mit kleinen Penisse, sozusagen in Originalgröße, probiert, die wollte allerdings niemand haben. Es gibt noch unmengen weiterer sehenswerter Szenen, die man sich aber unbedingt selber ansehen sollte

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Die Kriminalgeschichte sollte man nicht allzu ernst nehmen, da sie recht schnell in den Hintergrund gerät und die Auflösung einen auch nicht gerade vom Hocker haut. Am Ende gibt es allerdings noch eine wunderbare Szene, in der aller hochrangigen Personen, die in den Fall verwickelt sind, auf dem Polizeirevier zusammenkommen und sich gegenseitig die Tat zuschieben (
"Sie sind der Mörder." –
"Ich? Nein, Sie" usw.). Die Story fungiert eher als Aufhänger für einen Haufen wunderbarer und witziger Szenen über das achso korrekte und über alles erhabene Bürgertum, das vor allem mit Sex natürlich so absolut nichts am Hut hat. Der ein wenig verschmitzte Soundtrack von Morricone hält sich ebenfalls dezent im Hintergrund und tritt nur recht selten so richtig in Erscheinung. Allerdings hab ich die Musik in einer etwas anderen Form schon in einem anderen Film gehört. Die DVD von Koch ist ziemlich gut gelungen und kann mit einer sehr guten Bildqualität und einem Interview mit Luciano Tovoli punkten.
Luigi Comencinis
La donna della domenica ist eine wunderbar witzige Veralberung der norditalienischen bürgerlichen Gesellschaft mit jeder Menge herrlicher sexueller Anspielungen. Dank einer guten Regie und einem großartig aufspielenden Schauspielensemble wird man hier bestens unterhalten auch wenn‘s bei mir erst beim dritten Mal so richtig Eingeschlagen hat. Als Sahnehäubchen oben drauf gibt’s noch einen Soundtrack von Ennio Morricone, der sich aber dezent im Hintergrund hält. Wer also ständig Gialli und Polizieschi von Koch fordert und
Die Sonntagsfrau noch nicht besitzt sollte dies schleunigst ändern, denn ich bin mir fast sicher es wird sich auch für Fans dieser beiden Genres lohnen.
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Der Roman:
